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Jenseits der Kletterwand: Basics für die Personalgewinnung

Der Fachkräftemangel, das Schreckgespenst, das so manchen Arbeitgeber umtreibt, reckt seinen hässlichen Kopf sehr hoch, wenn es um Suche und Anwerben talentierter Köpfen geht. Dass Unternehmen in dieser Hinsicht aufrüsten müssen, hat sich langsam herumgesprochen. Aber ist die Botschaft auch angekommen? Und wie wird sie umgesetzt? Wo ist die Grenze zwischen fulminant und Firlefanz?

Wer nicht mit einem großen Namen oder einem tollen Image punkten kann wie beispielsweise Apple oder Google, muss einfallsreich sein. Und realistisch ¬– denn seien wir ehrlich, Firmen wie die beiden Technologie-Giganten übertreffen nicht nur vom Coolness-Faktor, sondern auch von ihren finanziellen Ressourcen fast alles, was es hierzulande gibt.

Doch Geld muss gar nicht das Problem sein – monetäre Anreize können natürlich eine wichtige Rolle spielen, sind jedoch bei weitem nicht der einzige oder wichtigste Grund für Jobsuchende, sich für ein Unternehmen zu interessieren. So schreibt beispielsweise der Spiegel in einem Artikel von 2012, dass gerade Absolventen sich immer weniger für Geld und immer mehr für eine gesunde Work-Life-Balance interessieren: "2012 beurteilten unter den Wirtschaftswissenschaftlern mehr als 90 Prozent Work-Life-Balance als ‚wichtig' oder ‚sehr wichtig' – zehn Jahre zuvor waren es keine 62 Prozent."

Kann man es aber mit den vermeintlich spritzigen Ideen und Programmen, mit denen man Bewerber zu beeindrucken versucht, auch zu weit treiben? Wie ist das eigentlich mit den Angeboten von Sport und Spiel, die Arbeitgeber gern als USP vor sich hertragen? Dazu erschien unlängst ein schöner SZ-Bericht mit dem Titel "Schwitzen für die Firma". Unternehmen müssten sich um die Besten bewerben, die sonst ruckzuck weg seien, und so "bieten sie Sabbaticals und Flexitime. Und Sportangebote. Tennis in der Mittagspause, Yoga nach Feierabend oder ein Kletterkurs zwischendurch." Allerdings ist auch die Rede von einer Werbeagentur, die stolz eine Kletterwand ihr eigen nennt – an der bloß keiner klettert, weil der stressige Arbeitsalltag dafür gar keine Zeit lässt. Es wird klar: Da ist viel Augenwischerei im Spiel. Bevor sie also krampfhaft versuchen sich als jemand zu verkaufen, der sie nicht sind, sollten Unternehmen bei den Basics beginnen. Wir haben drei grundlegende Tipps zusammengetragen, die Unternehmen helfen können, fit für den Wettbewerb um die Besten zu werden. Auch mit kleinerem Budget und ohne Kletterwand.

1) Vergütung und Motivation sind zwei Paar Schuhe
Finden Sie Wege, um Bewerber für ihre möglichen neuen Aufgaben zu begeistern. Denken Sie erst dann darüber nach, ob das Gehalt vielleicht nicht hoch genug ist. Titel, Gehalt und Vergünstigungen, Arbeitsplatzsicherheit – sicherlich nicht zu verachtende Faktoren bei der Berufs- beziehungsweise Arbeitgeberwahl. Was jedoch mindestens genauso zählt, sind diejenigen Faktoren, die echte Motivation bieten: anspruchsvolle Arbeit, Anerkennung, Verantwortung und persönliches Wachstum im Job. Und je kleiner Sie als Unternehmen sind, desto größer sind Ihre Chancen, wenn Sie sich diesen Motivationsfaktoren verschreiben. Der Einfluss der Motivationsfaktoren hängt am Ende natürlich immer noch vom Individuum ab, aber eigentlich ist es doch genau das, was Sie wollen: leidenschaftliche Mitarbeiter, die wirklich lieben, was sie tun. Wenn die Motivationsfaktoren für einen Kandidaten nicht wichtig genug sind, ist er vielleicht auch nicht der Richtige für Sie.

2) Machen Sie Recruiting zu einer Priorität – auf allen Ebenen
Wenn etwas eine Priorität sein soll, muss es auch eine Priorität für die Chefetage sein. Es bringt wenig, wenn von oben danach gerufen wird, "Top-Talente" einzukaufen, wenn die entsprechende Strategie fehlt. Und in diese Strategie will investiert, sie will konsequent und glaubhaft verfolgt werden. Gerade in kleinen Firmen sollten es Inhaber, Gründer oder Vorstand als Teil ihrer Aufgaben ansehen, sich um das Recruiting zu kümmern. Wenn möglich, sollten sie die Kandidaten sogar persönlich treffen, also beim Vorstellungsgespräch dabei sein. Dafür ist Ihr Unternehmen dann doch zu groß? Dann finden Sie andere Methoden um zu demonstrieren, dass Sie sich besondere Talente auch besonders umwerben. Bestimmen Sie feste Ansprechpartner, die vor, während und nach dem Auswahlprozess für die Bewerber da sind. Gehen Sie auch mal ungewöhnliche Wege. Laden Sie die vielversprechendsten Kandidaten zu einer Veranstaltung ein, bei der diese die Gelegenheit haben, die Chefetage kennenzulernen. Bieten Sie Online-Q&As an, bei denen Ihre Favoriten mit dem Vorstand ins Gespräch kommen können. Klar, all das kostet Zeit – aber Sie leben eine lebendige und nahbare Firmenkultur vor, Sie zeigen, dass auch die "ganz oben" Interesse am Unternehmen und seinen möglichen neuen Mitarbeitern haben.

3) Investieren Sie in die Beziehung, selbst wenn der Kandidat nicht genau passt
Wen Sie ablehnen kann genauso wichtig sein wie wem Sie ein Angebot machen. Vermutlich wird die Zahl derer, denen Sie kein Angebot machen, größer sein als die derjenigen, die Sie einstellen möchten. Der Absage-Prozess ist jedoch von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit.

Je nachdem in welcher Branche Sie sich bewegen, ist die Welt klein oder gar noch kleiner. Vergessen Sie also nicht den alten Spruch vom unzufriedenen Kunden, der seine schlechten Erfahrungen teilen wird, denn gleiches gilt auch für Bewerber, die mit Ihrem Recruiting-Prozess unzufrieden sind. Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, alle Kontakte, die Ihr Unternehmen auf dieser Ebene pflegt, mit Respekt zu behandeln. Dazu gehören simple Verhaltensregeln wie eine zeitnahe, persönliche Kommunikation mit den Kandidaten oder die oben erwähnten festen Ansprechpartner. Wenn möglich, schrecken Sie auch nicht davor zurück, guten Willen zu zeigen und gute Leute, die aber vielleicht vom Timing her gerade nicht zu Ihnen passen, weiterzuempfehlen. Und, am allerwichtigsten: Bleiben Sie in Kontakt. Die Bedürfnisse Ihres Unternehmens können sich schließlich ändern.

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